Das überraschende bei der faltung eines gleichseitigen dreiecks mit dem einwickelpapier des kinderschoko-ladenriegels ist wohl, dass für das längenverhältnis der seiten dieses rechtecks—innerhalb der messgenauigkeit von etwa 0.2 mm—genau √3 = 1,732... gefunden wird. Es ist unwahrscheinlich, dass die dimensionen des riegels dieses verhältnis erfordern. Wenn es zu verpackungszwecken oder ähnlichem nicht schon ein genormtes papierformat gibt—wie z.b. das DIN A format für schreibpapier, für das √2 = 1,414... gilt—könnte man vielleicht annehmen, dass der verpackungsingenieur beim produktentwurf dieses besondere seitenverhältnis für das papierchen bewusst so gewählt hat, dass damit gleichseitige dreiecke gefaltet werden können.
Solche idiosynkratien sind sicher nicht selten. Wenn keine objektiven entscheidungskriterien vorhanden sind, wird gerne nach irgendwelchen persönlichen vorlieben gewählt: runde zahlen, ganzzahlige vielfache, etc. Andererseits könnte man beim verpacken von genussmitteln vermuten, dass rationale gesichtspunkte das format des einwickelpapiers bestimmen: minimaler materialverbrauch bei ausreichendem schutz des inhalts, etc. In beiden fällen erscheint es ungewöhnlich, dass ein irrationales seitenverhältnis wie √3 auftritt. Wenn es jedoch in der tat eine papiernorm wäre, was ist dafür dann die grundlage?
Beim DIN A papierformat soll beim halbieren eines papierbogens wieder das gleiche seitenverhältnis erhalten werden, also b/a = a/(b/2) oder b² = 2a² woraus b = a√2 folgt, wie bekannt. Aber wozu sollte ein seitenverhältnis von √3 dienen? – wozu wäre das gut?
Es gibt auch eine methode, ein gleichseitiges dreieck mit einem rechteckigen stück papier zu falten, das ein anderes seitenverhältnis als √3 hat. Der im vorangehenden blogpost unter teil B) (faltungsmethoden) beschriebene weg, die ecke D auf den mittelpunkt M zu falten, produziert an der ecke A einen falz, der als spitze direkt in dieser ecke A endet. Dann macht der falz AX einen winkel von genau 60° mit der unterkante AB.
Wenn das papier lang genug ist, kann der falz unter diesem winkel auch so erzeugt werden, dass zuerst die mittellinie des papiers, parallel zur langen seite, bestimmt wird, z.b. mit bleistift diese hilfslinie im abstand a/2 zur langen seite zeichnen, oder durch entsprechendes leichtes falten des papiers. Dieses verfahren ist im nebenstehenden diagramm dargestellt.
Man bringt eine ecke (hier die linke obere) auf diese mittellinie—was durch punktierte pfeile angedeutet ist—und verschiebt sie solange, bis beim falten der falz genau durch die andere ecke der kurzen seite a geht, unten links. Im diagramm sind mit grünen und blauen linien die falze (gestrichelt) und papierkanten eingezeichnet, die sich durch zu geringen oder zu weiten abstand des zielpunktes M von der seite a ergeben; in rot ist der fall gezeigt, in dem der falz genau durch die ecke geht und die kante der länge u zusammen mit dem falz und der unterkante selbst bereits das gleichseitige dreieck bilden (mit der verlängerung der kante u zur unteren papierkante).
Die bedingung, dass beim verschieben der ecke entlang der mittellinie der entstehende falz durch die gegenecke geht, ersetzt sozusagen den zweiten geometrischen ort, der auf der mittellinie die lage des mittelpunktes M gibt, wenn ein rechteck das seitenverhältnis von √3 hat, nämlich als mitte der langen seite b. Der so erzeugte falz macht genau den gleichen winkel von 60° mit der langen seite wie vorher AX mit AB, und der umgefaltete kurze abschnitt u der langen gegenkante gibt die richtung der dritten seite des gleichseitigen dreiecks, welche dann mit einem weiteren falz des papiers dort festgelegt wird. Hier hilft, dass der dabei zu faltende restliche abschnitt der langen gegenkante genau auf den ersten falz zu liegen kommt.
Auf diese weise kann schon mit einem papier, dessen breite b gerade nur der seite des gleichseitigen dreiecks entspricht, ein solches dreieck gefaltet werden (die kurze seite a ergibt ja seine höhe). Für dieses papier ist also ein minimales seitenverhältnis des faltpapiers b/a = (2/3)·√3 = 1,1547... erforderlich. Die abbildung rechts zeigt die verhältnisse. Der apex halbiert die lange seite b, was die faltung besonders einfach macht, weil die funktion der mittellinie weniger wichtig wird.
Bei diesem fast quadratischen papier formt die lange unterkante die dritte seite des dreiecks; diese seite wird dabei also nicht wie die beiden anderen seiten durch einen falz gebildet. Damit auch diese seite gerade schon aus einem vollen falz bestehen kann, muss b/a = √3 sein; das ist, wie im vorhergehenden blogpost besprochen, die kleinste größe für ein voll gefaltetes gleichseitiges dreieck. Mit papieren noch größerer breite, b/a > √3, bekommt man dreiecksseiten mit doppelfalzen an einer oder mehreren seiten.
Es ist interessant, dass ich zwei papierformate gefunden habe, die zwar nicht exakt, aber doch ziemlich genau gerade das doppelte des minimalen seitenverhältnisses zeigen, also b/a = (4/3)·√3 = 2,309..., nämlich—interessanterweise— wieder ein einwickelpapier der firma Ferrero für deren produkt einer gefüllten vollmilchschokolade mit waffel und nougatcremefüllung names "duplo", mit dem abmessungen b x a = 147,0 x 62,5 [mm], wobei allerdings die durchsichtige plastikfolie, auf der das rechteck mit der firmeninformation aufgedruckt ist, mit a = 67 mm etwas höher ist.
Und als zweites beispiel die eintrittskarte für filmvorführungen bei den diesjährigen 61. berliner filmfestspielen, der Berlinale, die, nachdem der einlasscoupon abgerissenen ist, 146,5 x 63,0 [mm] misst, siehe nebenstehendes foto. Diese beiden rechtecke haben seitenverhältnisse von 2,352 (bedruckt) bzw. 2,325, was sehr nahe am theoretisch erforderlichen wert von 2,309 liegt. Beide eignen sich vorzüglich zur faltung eines gleichseitigen dreiecks, was ich in den langen wartezeiten vor beginn der filme ausgiebig probiert habe. Das ist nebenstehend in einer bildfolge gezeigt in der auf dem ersten bild sowohl die vertikalen halbierungsfalze (mitte und beide hälften) als auch die eigentlichen dreiecksfalze zu sehen sind.
Man erkennt auch, dass die ersten, von den beiden oberen ecken ausgehenden falze durch den halbierungsfalz der rechten und linken hälften gehen. Diese falze sind im nächsten bild gezeigt; rechts liegt jetzt die ecke vorn, links ist sie hinter dem papier. Der nächste falz bringt die rechte papierhälfte nach unten und formt dabei die spitze des linken gleichseitigen dreiecks.
Im letzten schritt wird die grundseite gefalzt, indem man die untere spitze vorne herum nach oben bringt und auf die obere spitze legt.
Das format ist deshalb besonders gut dazu geeignet, weil sich durch halbierung der langen seite die einheit der seitenlänge des gleichseitigen dreiecks sowie durch weiteres halbieren auch die position des jeweiligen gegenüberliegenden apex dazu festlegen lässt. Damit wird die faltung besonders einfach; außerdem ist das ergebnis hochsymmetrisch bezüglich des faltungsbeginns von beiden kurzen seiten her.
Hier erhebt sich jedoch auch wieder die frage nach der absicht hinter den abmessungen. Beide so unterschiedlich verwendete papiere sind eigentlich genau gleich groß und folgen möglicherweise doch einer papiernorm. Dieser verdacht wird durch die beobachtung bestätigt, dass die LINDOR schokoladekugeln der firma Lindt mit einem einwickelpapier einzeln verpackt sind, dessen aluminisierter und blau bedruckter teil die abmessungen a = 54 mm bzw. 56 mm und b = 95 mm aufweisen. Das seitenverhältnis ergibt sich zu 1,732 + 0,027 bzw. –0,036, also nahe genug am wert von √3 als dass es bloßer zufall sein könnte.
Ein weiterer fall ist das einwickelpapier für die einzelnen stücke der Dove milk chocolate der firma Mars, für das meine tochter Janka folgendes entdeckt hat: Wenn man das papierchen so faltet, dass die längere seite halbiert wird, erhält man ebenfalls ein papierformat mit dem seitenverhältnis von 1,73... und kann damit auch leicht ein gleichseitiges dreieck falten.