Monday, January 31, 2011

Entdeckung und erste analyse

Als Pamela hier auf besuch war, hat sie mir gezeigt, wie man aus dem rechteckigen einwickelpapier eines einzelnen riegels einer kinderschokolade ein gleichseitiges dreieck falten kann. Diese kinderschokolade wird von Ferrero hergestellt; jedes einwickelpapierchen ist auf einer seite aluminisiert und auf der anderen rot bedruckt.

Einer ihrer bekannten in Köln, Florian, hatte ihr diese faltung vorgeführt und vermutet, das seitenverhältnis des papiers entspräche dem goldenen schnitt. Die folgende analyse zeigt:

(i) Die faltung eines einwickelpapiers dieser kinderschokolade kann in der tat exakt ein gleichseitiges dreieck ergeben, weil das seitenverhältnis des papiers wie dazu erforderlich gleich der quadratwurzel aus drei ist, b/a = √3 = 1,732... ; gemessen wurde a = 5,72 cm und b = 9,90 cm.

(ii) Die vermutung, das seitenverhältnis sei das des goldenen schnitts, b/a = (1+√5)/2 = 1,618... , ist zwar berechtigt, trifft jedoch hier nicht zu.

I. Gleichseitiges dreieck
Alle drei seiten sind gleich lang (hier mit d bezeichnet); ebenso sind die drei winkel alle gleich und betragen 60°.

A) Faltungsanalyse

Der erste Falz AX, der an der oberkante eine stumpfe ecke X erzeugt, muss so erfolgen, dass dieser mit der unterkante des papiers einen winkel von 60° bildet. Wie aus der zeichnung ersichtlich, geschieht das in der ecke A, wenn die seitenkante AD mit der länge so gelegt wird, dass sie mit der unterkante AB der länge b einen winkel von 30° bildet. Zum falten benötigt man entweder eine hilfslinie, längs der die seitenkante AD ausgerichtet werden kann, oder einen zielpunkt, auf den die ecke D zu liegen kommt.

Beides ist am einfachsten realisierbar, wenn die diagonale AC des papiers einen winkel von 30° mit der basis AB des papiers bildet, d.h., wenn der sinus des winkels ∠CAB gleich 1/2 ist. Dann fällt auch die ecke D genau auf den mittelpunkt M des papiers. Die diagonale bildet also mit den langen seiten den erforderlichen winkel, wenn das seitenverhältnis AB/BC gleich dem cotangens von 30° ist, d.h. wenn b/a = √3 ist, oder anders geschrieben,

b = a·√3 .   .   .   .   [1]

Nach dem falten halbiert dann die kante XM den stumpfen winkel AXC von 120° bei X, wodurch bei X ein weiterer winkel von 60° gebildet wird, der winkel ∠AXM. Die verlängerung der kante XM trifft die unterkante in einem punkt X'. Den falz XX' erhält man, wenn die ecke C auf die ecke A gebracht wird. Wie unten erwähnt, s. B) 2. 'symmetrische faltung', kann man auch als erstes den falz XX' falten, also die diagonal entgegengesetzten ecken A und C aufeinander legen. Mit den strecken AX = XX' = AX' = X'C sind damit bereits die seiten d des gleichseitigen dreiecks etabliert.

Aus symmetriegründen erhält man den punkt X' auch durch falten der ecke B auf den mittelpunkt M, wodurch der falz CX' entsteht, ähnlich wie bei AX oben.

B) Faltungsmethoden
Anstatt zuerst die diagonale zu falten, um dann die seite AD des papiers entlang dieser hilfslinie zu legen, kann man auch zuerst den mittelpunk M durch quer- und längsfalten des papiers bestimmen (wie im diagramm durch gestrichelte linien durch M angedeutet) und dann die ecke D auf M legen—M liegt ja auch auf der diagonalen AC—um den falz AX durch glattstreichen des somit gefalteten papiers zu erhalten.

Dann gibt es zwei verschiedene faltsequenzen, die beide zu einem gleichseitigen dreieck führen. Die beiden dreiecke sehen jedoch verschieden aus. Ohne beschränkung der allgemeinheit wird als der erste schritt definiert, die ecke D auf die mitte M zu falten, wie oben diskutiert, womit die erste seite des dreiecks erzeugt wird.

1. Asymmetrische faltung
a) Der zweite schritt ist dann, das papier entlang der strecke XM zu falten, wobei die ecke C auf die ecke A zu liegen kommt. Dies erzeugt die zweite seite des dreiecks und legt gleichzeitig den teilpunkt X' auf der unteren langen kante fest. Danach wird punkt B nach hinten auf die mitte M gelegt, was die dritte dreiecksseite X'C entlang der unteren teilkante AX' erzeugt. Damit ist das gleichseitige dreieck fertig gefaltet.  Von vorne ist das dreieck einheitlich, auf der rückseite markiert die freie kante BC die höhe des gleichseitingen dreiecks.
b) Anstatt im zweiten schritt das papier nach vorne zu falten, kann es auch nach hinten gefaltet werden, was ein dreieck ergibt, dessen höhe auf der rückseite durch die beiden kurzen kanten AD und BC markiert hat. Wenn das papier verschiedenfarbige vor- und rückseiten hat, geschieht das in den zwei verschiedenen farben.

2. Symmetrische faltung
Hier ist der zweite schritt, punktsymmetrisch zum ersten, durch falten der ecke B auf den mittelpunkt M den falz X'C zu machen. Das ergibt eine raute, die vier rechtwinklige dreiecke zeigt. Der letzte schritt ist das falten von C auf A, was den dritten falz XX' macht; das dreieck ist damit fertig.  Dieses dreieck zeigt auf beiden seiten die gleiche papierseite, also färbung.

Soweit ist beschrieben, wie Pamela und ich anfangs das gleichseitige dreieck falteten. Dazu musste aber zuerst die mitte M des rechtecks bestimmt oder eine diagonale gefaltet werden. Es geht jedoch noch viel einfacher, weil man nämlich mit der letztgenannten faltung beginnen kann: Im ersten schritt wird eine ecke des rechtecks auf die diagonal entgegengesetzte ecke gelegt, also z.b. A auf C gefaltet. Damit hat man mit dem falz XX' sofort eine seite des gleichseitigen dreiecks und braucht jetzt nur noch ecke B über die kante AX' zur mitte zu falten (falz X'C) und dann gleichermaßen die ecke D über die kante XC (falz AX).

3. Sechseck–faltung
Nach dem zweiten schritt der symmetrischen faltungsart kann man auch die beiden jetzt spitzen ecken A und C rückwärts auf den mittelpunkt M bringen. Das ergibt ein regelmäßiges sechseck mit rotationssymmetrisch alternierenden vorder- und rückseiten des papiers.

C) Weitere eigenschaften der faltung
Der erste falz legt den punkt X auf der langen kante fest, der diese so teilt, dass der längere teilabschnitt XC der seitenlänge d des gleichseitigen dreiecks entspricht; ebenso der zweite falz mit dem punkt X' bei der gegenüberliegenden kante, AX' = d. Das ist auch die länge der falze AX und CX' ebenso wie XX'.

Für die kürzeren teilabschnitte DX = X'B = c auf den oberen und unteren langen kanten des papiers gilt wegen der ähnlichkeit der rechtwinkligen dreiecke ABC und ADX die beziehung

c/a = a/b  .   .   .   .   [2]

oder a² = b·c . Zwischen a und b gibt es jedoch die oben abgeleitete beziehung, gl. [1], die für die faltung eines gleichseitigen dreiecks eine bedingung ist. Damit erhält man einen ausdruck für die länge c des teilungsabschnitts DX = X'B , nämlich

c = b/3  .   .   .   .   [3]

Dies folgt auch aus symmetrieüberlegungen, wenn man von den teilungspunkten X und X' auf die jeweils gegenüberliegenden kanten das lot fällt.

Die dreieckshöhe h hat übrigens auch die länge der kurzen kante a und diese ist gleich der halben länge der diagonalen AC, also h = a. Dies ist aus der oben beschriebenen (asymmetrischen) faltungsmethode direkt ersichtlich.

II. Vergleich mit anderen papierformaten


A) Der goldene schnitt
Als "goldener schnitt" wird die teilung einer strecke AB von der länge b in einem punkt X bezeichnet, der so liegt, dass die teilstrecken XB = c und AX = a sich zueinander genauso verhalten wie AX zur ganzen strecke AB, also

c/a = a/b  .   .   .   .   [4]

oder a² = b·c. Dies ist identisch mit gl. [2] oben, wo sie für die faltung des gleichseitigen dreiecks gefunden wurde.

Konstruiert man aus den längen a und b wieder ein rechteck wie hier gezeigt, so sieht man die analogie zwischen den zwei fällen, vgl. die beiden zeichnungen. Insbesondere ist Florians vermutung auf grund dieser beziehung gerechtfertigt, wenn sie auch nicht auf das seitenverhältnis des rechtecks zutrifft, das für die faltung eines gleichseitigen dreiecks taugt.

Der grund dafür ist, dass zwischen den beiden längen a und b hier eine andere beziehung besteht als mit gl. [1] für die bedingung gefunden wurde, einen winkel von 60° zu erhalten, nämlich b = a·√3. Beim goldenen schnitt hat man dagegen eine beziehung zwischen a, b und auch c, welche die teilung der strecke AB beschreibt, nämlich

c = ba .   .   .   .   .    [5]

In gl. [4] eingesetzt, um c zu eliminieren, ergibt sich über b·(ba) = a² die quadratische gleichung b² – a·ba² = 0, woraus sich b im verhältnis zu a bestimmen lässt. Man erhält (die positive lösung)

b = a·(1 + √5)/2  .   .   .   .   [6]

was sich vom ergebnis für das gleichseitige dreieck, gl. [1], auch numerisch unterscheidet. Das viereck nach dem goldenen schnitt hat daher ein um 7% höhere seite a als das einwickelpapier.

Zum vergleich mit gl. [3] oben kann auch die kleine strecke XB = c als teil der ganzen strecke AB = b ausgedrückt werden. Man findet

c/b = (3 – √5)/2 = 0,382 .    .   .   .   .   [7]

Für die große teilstrecke AX = a ist das verhältnis a/b = 0,618, was sich aus gl. [6] ergibt; man sieht, dass die beiden werte sich zu eins addieren.